Sibyll Rodde, Joachim Hasebrook & Benedikt Hackl
Sind Selbstmordattentäter monsterartige Psychopathen? Nein, wie israelische Befunde belegen. Potentielle Selbstmordattentäter - die glücklicherweise an der Tat gehindert wurden - sind zumeist abhängig-ängstliche Personen, die, von Familie und Freunden isoliert, einem zunehmenden normativen Gruppendruck ausgesetzt sind. In ähnlicher Weise zeigt eine als „Stanford Prison Experiment“ bekannte Studie aus dem Jahr 1971, wie völlig „normale“ Studierende in kurzer Zeit dazu gebracht wurden, ihre Kommilitonen bis zum psychischen Zusammenbruch zu drangsalieren. Dafür reichten Gruppendruck und eine hierarchische Machtstruktur aus.
Der US-Sozialpsychologe Phil Zimbardo beschäftigt sich seit seinem berühmt gewordenen „Stanford Prison Experiment“ mit der Wirkung von autoritären Strukturen, Machtmissbrauch, Gewalt und Unterdrückung. Als Gutachter bei der Untersuchung des Folterskandals im Gefängnis Abu Ghraib während des Irakkriegs im Jahr 2004 verteidigte er den Hauptangeklagten. Zimbardo argumentierte, dass bestimmte Faktoren es dem Angeklagten unmöglich machten, die Folterungen zu beenden, an denen er selbst nicht beteiligt war. Diese Faktoren bestanden in einer bedrohlichen und nicht absehbaren Lage, Unterbesetzung und Kompetenzmangel in der Truppe, unklaren Vorgaben der Vorgesetzten bei vagen, aber positiven Zielen sowie überschneidenden Zuständigkeiten und unklaren Verantwortlichkeiten.
Deutlich wird: Wenn solche Risikofaktoren bestehen, ist kein Team und auch keine Organisation gegenüber moralischem Fehlverhalten immun. Moralisches Fehlverhalten entsteht nicht, weil in guten Systemen vereinzelt böse Menschen arbeiten, wie die übliche Argumentation vom „Fehlverhalten Einzelner“ nach einem Wirtschaftsskandal Glauben machen soll. Es ist genau umgekehrt: Bestimmte Risikofaktoren und fragwürdige Strukturen bringen Menschen in Situationen, die zu unethischem Verhalten verleiten.
Was macht im Gegensatz dazu eine „ethische“ Organisation aus? Arbeitsabläufe, die auf ethischen Normen und verantwortlichem Handeln aller Mitarbeitenden beruhen, finden sich in Hochsicherheitsbranchen, z. B. im Flugverkehr oder im OP und in der Intensivpflege. Organisationen mit einer Sicherheitskultur sind in dem Sinne „ethische Systeme“, dass sie gewünschtes, sicherheitsrelevantes Verhalten gezielt fördern und unterstützen.
Konkret bedeutet das zum Beispiel: